Nokia und "Wirtschaftsstandort" Deutschland

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Ich habe in den letzten Tagen die Diskussion rund um das Thema Nokia und Ihren Wegzug aus Deutschland - als Aussenstehender - verfolgt. Und ich weiss nicht, was ich davon halten soll.

Denn: Natürlich ist es nicht "nett" von Nokia, dass sie trotz guter Gewinne das Werk verlegen. Aber das ist von einer gewinnorientierten Gesellschaft auch nicht zu erwarten. Hey, überlegt es euch, wer von euch würde Aktien einer Unternehmung kaufen, die "aus Prinzip" weniger Gewinn macht, als Sie denn machen könnte? Ich nicht..

"Geiz ist Geil", dieses Motto beherrscht eure Werbelandschaft und auch die Konsumläden wie kein anderes Land, dass ich kenne. Jetzt ist es aber irgendwie schizophren, wenn derselbe Konsument, der im Blöd-Markt einkauft sich im gleichen Atemzug über ein Unternehmen aufregt, dass genau dasselbe macht wie er: Preis-/Leistung vergleichen.

Aber ich weiss, dass ich jetzt des Teufels Anwalt spiele mit obiger Argumentation. Ich wiederhol ich: Nokia ist nicht "nett" mit dieser Aktion, aber durchaus rational. Was aber jetzt in Deutschland passiert, nenn ich Schlammschlacht. Und wenn ich mich hier in der Schweiz zu dem Thema umsehe, dann seh ich vorallem Unverständnis und Kopfschütteln bei den Leuten.

Denn etwas muss ganz klar gesagt werden: Deutschland geniesst nicht gerade den besten Ruf als Wirtschaftsstandort. Nicht, weil die Arbeitskräfte schlecht oder faul wären. Nein, weil die Politiker und die Gewerkschaften alles in ihrer Macht stehende tun, um den Unternehmen das Leben so schwer wie möglich zu machen.

Ich hatte einige Diskussionen mit kleineren und mittleren schweizer Betrieben, die sich in den letzten 5 Jahren mal überlegt haben, nach Deutschland zu expandieren und dort Standorte zu gründen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Alle bis auf eine haben die Pläne fallen gelassen. Und die einte Firma - ein 15 Mann Betrieb - die sich dafür entschieden hat, hat nun beschlossen, ihren Standort in D wieder aufzugeben. Der Grund war ein einfacher: Sie haben einem Mitarbeiter gekündigt, der absolut unfähig war. Der aber ging vor Gericht und bekam 24 Monatsgehälter entschädigung zugesprochen. Viel Geld für einen 15 Mann Betrieb... Der hat dementsprechend keine Lust, jemals wieder in D irgendeinen Arbeitsplatz zu schaffen.

Auf der anderen Seite habe ich mit 1 Grossbetrieb in Grossraum Stuttgart geredet, der problemlos Arbeitsplätze schaffen könnte - denn Arbeit gäbe es genug - aber dies nicht tut. Das Problem: Falls die Konjunktur abflauen würde, kann man die Arbeitsplätze - im Gegensatz zum Ausland - fast unmöglich wieder abbauen. Das ist ein hohes Risiko, dass der Betrieb nicht eingehen wollte.. traurig, aber Realität: Es gibt Arbeit, es gibt Leute, die arbeiten wollen. Aber der Staat verhindert's.

Aber ich schweife ab. Worum's geht: Solche Schlammschlachten führen dazu, dass der Ruf als Wirschaftsstandort in Deutschland immer mehr Schaden nimmt. Das ist genau nicht der Weg, wie man Arbeitsplätze schafft, sondern wie man sie verhindert, wenn nicht sogar abbaut.

Ich will damit nicht den grenzenlosen Liberalismus vertreten, in dem Unternehmen machen können, was sie wollen. Aber wer so erfolgreich gegen Arbeitsflexibilität und Unternehmensfreiheit arbeitet wie die deutschen Politiker, muss sich nicht wundern, wenn die Arbeitslosigkeit nicht runter geht.

Ich mein schaut mal die Arbeitslosenzahlen an. Deutschland und Frankreich mit den strengsten Arbeitnehmer-"Schutz" in Europa hatten 2006 hatten 9.8% bzw. 9.2% Arbeitslose. Irland und die Schweiz, wo kaum Schutz für die Arbeitnehmer besteht, hatten dagegen 4.4% bzw. 2.3% ...
 
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Fabus

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Sehr schönes dazu von Extra-3

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ich muss vorausschicken: ich hab wenig ahnung von wirtschaft und kann daher auch wenig argumentieren.

aber, und so kindisch das auch klingt: ich versteh einfach nicht, warum unternehmen immer noch mehr und nochmal mehr umsatz machen müssen. ich mein, das geld und die ressourcen auf der welt werden ja nicht mehr. also muss es da, wo grad kein gewinn gemacht wird ja auch weniger werden. was regen wir uns also über armut woanders auf?
allein wegen diesem meinen nicht-verstehen ist mir die aktion von nokia suspekt.
 

gfc

Schönwetter Camping-Prophet
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@fabus arabus: Sehr geiles Video, danke! :)

@foxrox: Uff, das wäre eine lange Erklärung, um das zu zeigen. Es läuft schlussendlich darauf hinaus, dass der Mensch sich stetig selbst verbessern möchte. Es ist unsere Natur, dass wir lehren, uns weiterentwickeln und stetig komplexere Probleme lösen wollen und auch können. Übertrag das schlussendlich auf die Wirtschaft: Wir möchten mit unseren Vorhandenen Ressourcen - die ja gegeben sind - möglichst viel "rausholen". Nimm das Beispiel Landwirtschaft: Europa hatte bis Ende des 19. Jahrhunderts Hungersnöte mit Millionen von Toten. Erst durch die Effizienzgewinne war es überhaupt möglich, das heute kaum noch Menschen in Europa verhungern.
 
G

Gelöschte Mitglieder 9424

okay. mehr rausholen wollen - ist nachvollziehbar.
und wenn ich weiter überlege, sogar bei den amis und in sonstigen führenden industrieländern ist das alles arbeitnehmerunfreundlicher. ist der deutsche also zu verwöhnt?
ich mein, ich find kündigungsschutz und freie sonntage und geregelte ladenschlusszeiten eigentlich schon toll.
 

gfc

Schönwetter Camping-Prophet
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Natürlich habt ihr einen relativ hohen Verwöhnungsgrad. Ich denk da spontan an die 35h Woche und 6 Wochen Ferien, was zwar vielleicht nur 30% der Deutschen Arbeitnehmer haben, aber immerhin.

Es ist alles eine Frage der Einstellung. In der Schweiz sind 42h Wochen und 4 Wochen Ferien normal. Ich selbst arbeitet aktuell ca. 45h pro Woche und hab aber dafür auch 5 Wochen Ferien und ich fühle mich dadurch nicht irgendwie angestrengt oder kaputt. Was nicht heisst, dass ich selbst nicht auch lieber weniger arbeiten würde, wenn ich denn könnte. Wobei wenn ich's mir ernsthaft überlege: Für 7h pro Tag wär ich glaubs zu Faul um überhaupt aufzustehen. Wenn, dann würd ich die 35h in 4 Tagen durcharbeiten und dafür 3 Tage Weekend haben. Aber das nur nebenbei.

Thema Kündigingsschutz: Natürlich ist es eine zusätzliche Sicherheit, die man dadurch hat. Aber auf die andere Seite: Die Schweiz hat 2,3% Arbeitslose - was kümmert mich unter den Umständen denn bitte eine Kündigung? Die Chance, ohne Unterbruch einen neuen gleichwertigen Job nach der Kündigung zu finden, sind weit über 90%.

Thema Wochenend-Arbeit: Es gibt durchaus Menschen, die geniessen es, am Wochenende zu arbeiten und dafür mitten in der Woche frei zu haben. Wieso sollte man es denen denn verweigern?
 
G

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stimm dir beim meisten zu, aber zum freien sonntag:
wenns nicht verboten ist, wirds irgendwann von den firmen gefordert, am sonntag auch zu kommen. und dann verliert wieder der, der gern am wochenende frei hätte.
 

gfc

Schönwetter Camping-Prophet
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wenns nicht verboten ist, wirds irgendwann von den firmen gefordert, am sonntag auch zu kommen. und dann verliert wieder der, der gern am wochenende frei hätte.

In den USA ist's in den meisten Staaten nicht verboten, genauso in vielen Ländern in Osteuropa. Aber auch da sieht man, dass kaum mehr Leute am Sonntag arbeiten, wie bei uns.

Schlussendlich ist und bleibt ein "gemeinsames" Wochenende halt ein wichtiger Punkt bei vielen Menschen. Und diese werden für die Pflicht, am Wochenende arbeiten zu müssen, auch mehr Lohn fordern, welchen Sie auch erhalten. Schlussendlich hast du 3 Gewinner: Der Arbeitnehmer, der am Sonntag arbeitet (und das will) erhält mehr Lohn. Der Arbeitgeber, der am Sonntag den Laden offen haben will, kann dies auch. Und der Staat, der mehr Steuern einnimmt.
 
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gut, damit hättest du gewonnen ;)

bin wahrscheinlich auch vorgeprägt von dieser verwöhntheit.
 

maxibt

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Auch wenn es aus ethischer Sicht vielleicht nicht unbedingt toll ist, was Nokia da macht, kann ich es aus unternehmerischer Sicht 100%ig nachvollziehen. Ich habe keine aussagekräftigen Zahlen, aber laut Nokia sind die Lohnkosten in Rumänien im Vergleich zu Deutschland etwa 1/10 so hoch. Wer versteht da nicht, dass ein Unternehmen, dessen oberste Prämisse nunmal die Kostenoptimierung und Gewinnsteigerung ist, einen Standortwechsel machen will? Ganz zu schweigen davon, dass Nokia von Rumänien nicht nur Subventionen in X-Millionenhöhe bekommt; es gibt auch zig Millionen Fördergelder von der EU und Rumänien baut die Infrastruktur drastisch aus (es werden schon mehrere neue Autobahnen gebaut und ein kleiner Flugplatz in der Nähe des neuen Standorts soll auf internationales Niveau gebracht werden). Ganz ehrlich: Wenn ich Entscheidungsträger bei Nokia wäre, würde ich da nicht zweimal nachdenken, sondern schnellstmöglich umziehen!
Und was da momentan in der Politik abgeht finde ich auch lächerlich. Gut, natürlich ist es nicht toll, dass Nokia erst Subventionen von Deutschland kassiert und dann "abhaut". Mein Gott, sollen sie das eben zurückzahlen; das dürfte kein großes Problem sein. Für die deutschen Arbeiter ist es natürlich auch alles andere als gut, dass einer der größten Arbeitgeber in der Region sein Werk schließt, aber es ist nunmal (ob leider, darüber lässt sich streiten) so, dass das Ziel eines Unternehmens ein satter Gewinn ist und nicht die Sozialpolitik...
Und dass jetzt sogar Politiker zum Boykott von Nokia-Handys auffordern, finde ich mehr als absurd. Ich für meinen Teil werde weiterhin ausschließlich Nokia kaufen - ganz abgesehen davon, dass die Dinger das eindeutig beste Preis-/Leistungsverhältnis haben, sind sie auch noch ungeschlagen in ihrer Qualität und Robustheit. Was Nokiahandys aushalten...davon können Firmen ala Sony-Ericsson nur träumen! Aber das ist meine bescheidene Meinung und weicht vom Thema ab.
 

gfc

Schönwetter Camping-Prophet
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gut, damit hättest du gewonnen ;)

Es geht nicht ums gewinnen :) Ich bin nur froh, wenn ich ich Entscheidungen, die mich betreffen, selbst entscheiden kann, anstatt dass mir diese "Last" von Vater Staat abgenommen wird.

So oder so: Es ist ziemlich sicher, dass der wirtschaftliche Druck auf Deutschland weiterhin zunehmen wird. Ihr könnt euch euren Sozialstaat schon seit 20 Jahren nicht mehr leisten (im Moment finanziert ihr den auf Pump - was irgendwer irgendwann mal abzahlen muss, sprich unsere Generation, ev. erst die Nachfolgenden). Und somit werdet ihr bald gezwungen sein auf viele heutigen Schutzmechanismen und Sozialeinrichtungen verzichten müssen.. denn wie man am Beispiel USA sieht, ist auf Pump leben nicht gerade eine dauerhafte strategie..
 

McGuinness

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Dass wir Probleme mit unserem Sozialstaat haben, hat aber auch noch komplett andere Gründe, unter anderem demographische. Und da wird wohl kein westliches Land auf Dauer drum herum kommen. Die Frage ist nur, welche Lösungen man findet.
Und solange die Zahl der Arbeitnehmer steigt (noch nie gab es in Deutschland soviele, wie heute), lasse ich mich von Pessimismus, der von Außen kommen mag auch nicht anstecken.
Was Nokia macht ist zwar mehr als zweifelhaft, aber durchaus verständlich. Die Politik jammert doch im Endeffekt über ihre eigene Entscheidung: Vorraussetzung war die Sicherung von so und sovielen Arbeitsplätzen bis zu dem und dem Zeitpunk. Und der ist nun eben gekommen, wo ist das Problem? Außerdem werden sie wohl eh zurückzahlen müssen.
 

mauerfall

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Hey, überlegt es euch, wer von euch würde Aktien einer Unternehmung kaufen, die "aus Prinzip" weniger Gewinn macht, als Sie denn machen könnte? Ich nicht..
dieser ganze aktienhandel ist eh ein einziges rumspekulieren, wo man kohle verdienen kann. gelingt's, freuen sich die aktionäre. wenn nicht, sind mehrere tausende leute arbeitslos oder wie im "idealfall", wie der jetzigen immoblienblase, wankt das ganze system.

"Geiz ist Geil", dieses Motto beherrscht eure Werbelandschaft und auch die Konsumläden wie kein anderes Land, dass ich kenne. Jetzt ist es aber irgendwie schizophren, wenn derselbe Konsument, der im Blöd-Markt einkauft sich im gleichen Atemzug über ein Unternehmen aufregt, dass genau dasselbe macht wie er: Preis-/Leistung vergleichen.
mit dem phänomen hast du recht. mit dem beispiel media-markt nicht ;) der werbeslogan ist zwar aus PR-Sicht super, deckt sich aber nicht mit der realität. jenseits der sonderangebote, zahlt man bei denen ordentlich drauf. was viele hierzulande auch vergessen, ist, dass nur 7% MWSt auf nahrungsmittel und bücher zahlen. wenn man im ausland urlaub macht, wird einem das erst bewusst...

Denn etwas muss ganz klar gesagt werden: Deutschland geniesst nicht gerade den besten Ruf als Wirtschaftsstandort.
du bist nicht auf dem neusten stand ;)
Ernst Young - Presse - Pressemitteilungen 2006 - Deutschland ist Top-Standort in Europa
US-Firmen: Deutschland mal ganz oben - manager-magazin.de

Nicht, weil die Arbeitskräfte schlecht oder faul wären. Nein, weil die Politiker und die Gewerkschaften alles in ihrer Macht stehende tun, um den Unternehmen das Leben so schwer wie möglich zu machen.
das die beiträge der arbeitgeber zur krankenkasse gesenkt wurden, dass der kündigungsschutz gelockert wurde, dass die gewerbesteuer so geändert wurde, dass firmen fast nix mehr zahlen und ehemals wohlhabende kommunen finanziell an stock gehen, weißt du? dass die gewerkschaften diversen nullrunden zugestimmt haben in den vergangenen jahren, um jobs zu retten, hast du mitbekommen? das beispielsweise im osten deutschlands, wo die arbeitslosigkeit besonders schlimm ist, sehr viele firmen deutlich unter tarif zahlen ist dir bekannt?
Studie: Jeder fünfte Ostdeutsche bekommt weniger als den Mindestlohn - Wirtschaft - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten
ich könnte das hier jetzt weiter fortsetzen...


Der Grund war ein einfacher: Sie haben einem Mitarbeiter gekündigt, der absolut unfähig war. Der aber ging vor Gericht und bekam 24 Monatsgehälter entschädigung zugesprochen. Viel Geld für einen 15 Mann Betrieb... Der hat dementsprechend keine Lust, jemals wieder in D irgendeinen Arbeitsplatz zu schaffen.
du kennst nur die darstellung des arbeitgebers oder? dass das arbeitsgericht solch ein urteil fällt, wenn der arbeitgeber einen klaren nachweis des versagens bringt, bezweifele ich. Jenseits dessen wäre eine weitere lockerung des kündigungsschutzes sicher ein weg, um jobs zu schaffen. Das problem, wenn man es so sehen will, ist, dass man sich schlecht von den regelungen der anderen nationen isolieren kann.

Ich mein schaut mal die Arbeitslosenzahlen an. Deutschland und Frankreich mit den strengsten Arbeitnehmer-"Schutz" in Europa hatten 2006 hatten 9.8% bzw. 9.2% Arbeitslose. Irland und die Schweiz, wo kaum Schutz für die Arbeitnehmer besteht, hatten dagegen 4.4% bzw. 2.3% ...
als gegenbeispiel könnte man jetzt auf österreich verweisen, wo die gewerkschaften auch stark sind und die arbeitslosigkeit sehr niedrig. ich persönlich bin ja ein großer fan des niederländischen poldermodells. Dossier Arbeitsmarktpolitik Poldermodell
das problem in deutschland ist doch: die eine hälfte sitzt daheim und die anderen arbeiten für 2 oder drei. meine freundin hat beispielsweise noch 19 urlaubstage und 200 überstunden mit ins neue jahr genommen. theoretisch wären es noch mehr gewesen, aber wegen des arbeitsschutzgesetzes trägt die stechuhr sie ja nach 10h aus und die stunden, die sie an mehreren wochenenden gearbeitet hat, zählen auch nicht mit...
darüber hinaus hat die deutsche einheit deutschland viel geld gekostet. der westteil wäre sicher immer noch spitze ohne diese kosten.

das größte problem für deutschland ist aber die EU.
1. müssen einheitliche steuersätze in der EU her. es kann nicht sein, dass hier zwischen gemeinschaftsmitgliedern ein "race to bottom" (wie es der politologe scharpf mal nannte) stattfindet, an dessen ende der ruin der bundesländer oder der nation steht
2. müssen einheitliche sozialstandards her. das man also festlegt, dass die länger einen prozentsatz x ihres BIP ins sozialleistungen investieren müssen
3. muss man aufhören den umzug von firmen innerhalb der eu zu subventionieren.


Natürlich habt ihr einen relativ hohen Verwöhnungsgrad. Ich denk da spontan an die 35h Woche und 6 Wochen Ferien, was zwar vielleicht nur 30% der Deutschen Arbeitnehmer haben, aber immerhin.
da fühlt man sich als ostdeutscher immer ausgeschlossen, wenn in den alten ländern gegen die 40h-woche demonstriert wird. die gibts hier flächendeckend, aber das nur am rande 8)


Auch wenn es aus ethischer Sicht vielleicht nicht unbedingt toll ist, was Nokia da macht, kann ich es aus unternehmerischer Sicht 100%ig nachvollziehen. Ich habe keine aussagekräftigen Zahlen, aber laut Nokia sind die Lohnkosten in Rumänien im Vergleich zu Deutschland etwa 1/10 so hoch.
naja, 1/10 isses nicht. der durchschnittslohn in rumänien liegt bei 300€. die löhne im "ostblock" steigen auch ständig. wer hätte vor 10 jahren gedacht, dass die deutschen bauern keine polen mehr finden, die für sie arbeiten wollen, weil sie in der heimat mittlerweile so viel verdienen, dass es sich für sie hier nicht mehr lohnt. da die niederländer und briten deutlich mehr zahlen, fahren die polen jetzt dahin, weil sich das für sie noch lohnt. im übrigen war es in portugal oder spanien nicht anders, bevor sie der EU beigetreten sind. die traf man damals auch in ganz westeuropa als gastarbeiter. auf lange sicht werden alle eu-mitglieder ein solches lohn- und sozialniveau erreichen, dass die fließbandarbeit auch in rumänien oder bulgarien zu teuer ist und die firmen nach südostasien abhauen.

 

gfc

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dieser ganze aktienhandel ist eh ein einziges rumspekulieren, wo man kohle verdienen kann. gelingt's, freuen sich die aktionäre. wenn nicht, sind mehrere tausende leute arbeitslos oder wie im "idealfall", wie der jetzigen immoblienblase, wankt das ganze system.

Nanana, grad so zynisch? Natürlich hat sich das Tempo im Aktienmarkt erhöht und viele Trades haben nichts mehr mit einer effektiven Beteiligung an der jeweiligen Unternehmung zu tun. Das ist zwar schade, auf die andere Seite aber erreicht man damit eine ungeheure ökonomische Glättung.

Und zum Thema Subprime: Das System ist alles andere wie am Wanken. Die Varianz hat sich erhöht. Schön. Aber das war's auch. Dass die Medien freude haben, den Weltuntergang vorauszusagen, ist nichts neues. Denk nur mal an die Medienberichte zur Vogelgrippe.. :p

was viele hierzulande auch vergessen, ist, dass nur 7% MWSt auf nahrungsmittel und bücher zahlen. wenn man im ausland urlaub macht, wird einem das erst bewusst...

In der Schweiz sinds 2,4% auf Lebensmittel. 7,6% auf alles andere


Muss ich mir zur Gemüte führen. In allen Ratings, die ich bisher zu gesicht bekam, rangierte Deutschland immer recht weit weg von der Spitze. Z.B. in denen hier (nur Europa!)

Economic Freedom Rating in Germany
Economic Competitiveness Rating in Germany

das die beiträge der arbeitgeber zur krankenkasse gesenkt wurden

Es ist vollkommen egal, wer wieviel Beiträge an die Krankenkasse zahlt, denn den Arbeitgeber interessiert nur der Bruttolohn und den Arbeitnehmer nur der Nettolohn. Und die beiden werden aufgrund der Marktmacht der Teilnehmer festgelegt, nicht durch die Politik. Sprich: Wenn die Marktmacht der Arbeitnehmer gross ist, dann bewirkt die Änderung der Beiträge zur Krankenkasse einen Null-Effekt auf den Netto-Lohn.

dass der kündigungsschutz gelockert wurde

Mitbekommen, trotzdem ist der Schutz immernoch einer der massivsten weltweit.

dass die gewerbesteuer so geändert wurde, dass firmen fast nix mehr zahlen

Studien dazu?

dass die gewerkschaften diversen nullrunden zugestimmt haben in den vergangenen jahren, um jobs zu retten, hast du mitbekommen?

Doch doch, mitbekommen. Ändert aber an der allgemeinen Regulierungswut nichts.

dass das arbeitsgericht solch ein urteil fällt, wenn der arbeitgeber einen klaren nachweis des versagens bringt, bezweifele ich.

Ach, beweise Unfähigkeit, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn du aber einen liberalen Kündigungsschutz hast, ist das vollkommen unnötig.

Jenseits dessen wäre eine weitere lockerung des kündigungsschutzes sicher ein weg, um jobs zu schaffen. Das problem, wenn man es so sehen will, ist, dass man sich schlecht von den regelungen der anderen nationen isolieren kann.

Hat denn Deutschland die Souveranität aufgegeben?

Oder noch anders: Irland und UK haben massivst schwächeren Kündigungsschutz, anscheinend halten die das für EU-kompatibel.

das problem in deutschland ist doch: die eine hälfte sitzt daheim und die anderen arbeiten für 2 oder drei.

Weil die Firmen das Risiko von neuen Arbeitsplätzen nur eingehen wollen, wenns wirklich nicht anders geht. Ich kenn genug Deutsche, denen es so geht wie deiner Freundin, die 60h-Wochen fahren. Aber genau die sind es, die Gewerkschaften aufs Blut hassen (man müsste doch annehmen, dass es umgekehrt sei..).

aber wegen des arbeitsschutzgesetzes trägt die stechuhr sie ja nach 10h aus und die stunden, die sie an mehreren wochenenden gearbeitet hat, zählen auch nicht mit...

Siehst du die Perversion dieses Gesetzes nicht? Ich mache auch häufig Tage mit mehr als 10h, ich arbeite teils am Wochenende. Guess what: Ich kanns vollumfänglich aufschreiben.


1. müssen einheitliche steuersätze in der EU her. es kann nicht sein, dass hier zwischen gemeinschaftsmitgliedern ein "race to bottom" (wie es der politologe scharpf mal nannte) stattfindet, an dessen ende der ruin der bundesländer oder der nation steht

Halte ich für ausgesprochenen Blödsinn. Denn ein Einheitssatz führt dazu, dass sich kein Staat mehr Mühe geben müsste, die Steuergelder effizient zu verwalten. Eben erst der Steuerwettbewerb schafft einen Anreiz für die Staaten, ihre Betriebe schlank zu halten. Die Geschichte hat das gezeigt: Die Einheitssätze sind zumeist massiv über den Durchschnitt der bisherigen Einzelsätze zu liegen gekommen sind.

2. müssen einheitliche sozialstandards her. das man also festlegt, dass die länger einen prozentsatz x ihres BIP ins sozialleistungen investieren müssen

Was aber aufgrund unterschiedlicher Demographien so oder so blödsinn ist. Wieso sollte ein Land mit höherer Geburtenquote gleichviel in die Sozialwerke investieren? Ausserdem steht es doch der Bevölkerung frei, zu entscheiden, wie sieh ihr Geld verwalten will..

3. muss man aufhören den umzug von firmen innerhalb der eu zu subventionieren.

Aah, endlich. Bin vollkommen einig mit dir. Gibts also auch ;) Es ist ökonomischer Unsinn, Umzüge zu bezahlen. Die Standorte sollten mit ihrer Standortqualität gegeneinander im Wettbewerb stehen, nicht mit korruptionsähnlichen Zahlungen (aka Firmensubventionen).
 

gfc

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Bundesverbraucherminister Horst Seehofer, der bisher ein Nokia-Mobiltelefon verwendet hatte und darauf nun aus Protest gegen die geplante Werksschließung verzichtet, verriet dem Magazin Focus die Marke seines neuen Geräts: "Ich habe jetzt ein Handy von Sony Ericsson." In seinem Ministerium werde Zug um Zug umgestellt, damit keine zusätzlichen Kosten entstehen.

http://www.heise.de/newsticker/meldung/102527

Super, Herr Seehofer. SonyEricsson hat wenigstens von beginn weg den Standort Deutschland gemieden. Und dafür gibts jetzt Applaus. Diese Welt ist zynisch.
 

mauerfall

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ich hab dir jetzt mal nen bericht rausgesucht zur gewerbesteuer.
http://www.zeit.de/2002/08/Politik_der_leeren_Hand

ökonomische glättung, wie liebe ich diese euphemistische wirtschaftssprache. erst wird der kessel so angeheizt, dass er (fast) in die luft fliegt und dann wundern sich dieselben akteure, wenn ihnen das ding um die ohren fliegt.
es sind doch die arbeiter oder steuerzahler, die den wahnsinn vieler konzerne/banken ausbaden, die nach rekordrenditen jagen und jede weitsicht verlieren. was die banken (sei es westlb, sachsen LB oder andere) da veranstaltet haben, was zudem gar nicht ihr auftrag ist, badet der steuerzahler wieder aus. die wirtschaftsakteure verspielen derzeit sämtliches vertrauen und ohne vertrauen gibt es keinen sozialen frieden, der aber die elementarste voraussetzung ist für wirtschaftswachstum und je stärker die (gefühlten) diskrepanzen sind, desto instabiler wird das system. selbst der radikale friedman kam am ende seines lebens sensationellerweise zu der einsicht, dass privatisierung und gewinnmaximierung um jeden preis eben doch kein allheilmittel sind, sondern stabilität und rechtssicherheit unverzichtbar sind.
was arbeitnehmer und -geber angeht:richtig der bruttolohn ist in deutschland überdurchschnittlich hoch. deswegen haben sowohl staat als auch arbeitnehmer auf einnahmen/lohnerhöhungen verzichtet, um dem problem zu begegnen.
was die lockerung des kündigungsschutzes angeht, hast du meinen beitrag nicht verstanden. es gibt noch andere spieler in der arena wie die angesprochenen iren und briten, die mit ihren extrem lockeren gesetzten einen wettbewerb lostreten, dem man sich nicht entziehen kann, will man erfolg haben und jobs schaffen. die souveränität deutschlands stößt an grenzen. klar hätten sie die möglichkeit: wir machen bei disem wettlauf nicht mit, aber es ist wohl klar wo das endet.
was die EU betrifft: entweder es ist eine union oder eben nicht. dazu gehört für mich auch, dass man vergleichbare soziale und ökonomische standards hat und unionspartner einander nicht gegenseitig ausboten. darüber hinaus bleibt man ja mit den usa, japanern und bric-staaten in einem wettbewerb, der zu ökonomischen denken zwingt.
 

gfc

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ökonomische glättung, wie liebe ich diese euphemistische wirtschaftssprache. erst wird der kessel so angeheizt, dass er (fast) in die luft fliegt und dann wundern sich dieselben akteure, wenn ihnen das ding um die ohren fliegt.

Nimm's mir nicht übel, aber irgendwie tönt das nach Linkem Kampfblatt und nicht nach Argumenten.

es sind doch die arbeiter oder steuerzahler, die den wahnsinn vieler konzerne/banken ausbaden, die nach rekordrenditen jagen und jede weitsicht verlieren.

Wo denn bitte musst du irgendwas für die jetzige Bankenkrise als Steuerzahler bezahlen? Die Banken haben ihre Verluste vollumfänglich selbst getragen, bzw. deren Inhaber.

was die banken (sei es westlb, sachsen LB oder andere) da veranstaltet haben, was zudem gar nicht ihr auftrag ist, badet der steuerzahler wieder aus.

Natürlich haben die Banken GENAU das getan, was ihre Aufgabe ist: Transformation von Zeit, Ort und Dauer von Kapital.

selbst der radikale friedman kam am ende seines lebens sensationellerweise zu der einsicht, dass privatisierung und gewinnmaximierung um jeden preis eben doch kein allheilmittel sind, sondern stabilität und rechtssicherheit unverzichtbar sind.

Ich bin alles andere als Friedmann-Fan. Die Welt der Wirtschaftswissenschaften besteht aus weit mehr als Laissez-Fair-Extremismus. Aber das sieht man erst, wenn man über den Tellerrand schaut. Ich empfehl dir mal - so als Gegensatz - mal die andere Seite, z.B. die Arbeiten von Prof. Fehr:
UZH - Institut für Empirische Wirtschaftsforschung - Publikationen von Prof. Dr. Ernst Fehr

was die EU betrifft: entweder es ist eine union oder eben nicht. dazu gehört für mich auch, dass man vergleichbare soziale und ökonomische standards hat und unionspartner einander nicht gegenseitig ausboten.

Wieso? Schau mal über den Teich, die USA nennt sich Staat, dabei sind die Bundesstaaten darin freier als die Mitgliedsstaaten der EU, welche ja "nur" ein Staatenbund ist.

darüber hinaus bleibt man ja mit den usa, japanern und bric-staaten in einem wettbewerb, der zu ökonomischen denken zwingt.

Natürlich, aber ein massiv geschwächter. Ich versuchs mal plakativ:

Stell dir vor du hast die Wahl zwischen
a) 30 Metzgern in einer Stadt
b) 10 Fleischgrosshändlern verteilt über die ganze Welt

Wo herrscht wohl der effektivere Wettbewerb?
 

mauerfall

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im fall der sachen LB oder auch west LB sind die bundesländer und sparkassen eigner und die wiederum sind öffentlich-rechtlich organisierte kreditinstitute. bei der sachsen LB war es so schlimm, dass die landesbank badenwürttemberg einer notübernahme zustimmte, dann aber wegen des ausmaßes die übernahme wieder in frage stellte. weiß gar nicht, ob die kuh inzwischen vom eis ist.
edith: gerade mal nachgelesen: Zum 1. Januar 2008 hat die LBBW die Sachsen LB für einen Kaufpreis von 328 Mio. Euro“ übernommen. Der Freistaat Sachsen garantiert für außerbilanzielle Risiken mit 2,75 Mrd. Euro
meines wissens haben die landesbanken weit mehr auf dem kapitalmarkt agiert, als es ihnen die satzung erlaubt und keiner will es gewusst haben. das hätte den sächsischen ministerpräsidenten ja fast sein amt gekostet...

was macht man, wenn man empirische wirtschaftsforschung studiert hat? unternehmensberatung? ich speicher mir den link mal. das für fehlt mir gerade etwas die zeit, dass zu lesen.

die frage ist doch: wenn alles über wettbewerb und somitdem wettbewerb um die niedrigsten steuersätze läuft, wie kann man in der EU mit ihren 400 millionen einwohnern soziale standards garantieren? irgendwo muss das geld ja herkommen, was die staaten reinvestieren können.